Über die Klinge gesprungen

Heute mal ein wenig Kulturpessimismus: Das Schweizer Offiziersmesser stirbt aus und damit wohl auch die westliche Zivilisation. Victorinox, seit Äonen Zulieferbetrieb der glorreichen schweizer Armee und neben Wenger der traditionsreichste Hersteller von Taschenmessern, muss seine Messer mittlerweile um zweifelhafte Funktionen wie USB-Stick oder ähnlichen Schnickschnack erweitern, um überhaupt noch auf dem Markt bestehen zu können. Seit Jahren buhlen Plagiate aus Fernost um die Gunst geiziger, wenig qualitätsbewusster Messerfreunde. Falls überhaupt noch Messer gekauft werden - immer mehr Menschen entscheiden sich für die Multifunktions-Taschenzange Leatherman. Damals, in der 7. Klasse, war das ein Sakrileg. Ein ordentlicher Junge hatte ein Schweizer Offiziersmesser (ein Geschenk zu Firmung oder Konfirmation). Leatherman-Besitzer trugen ihr Werkzeug in einer Ripstop-Schutzhülle am Gürtel, lernten in ihrer Freizeit Klingonisch und studieren heute Physik oder ähnlich Obskures.

Schlimmer als die Leatherman-Konkurrenz ist fürs klassische Taschenmesser von Victorinox allerdings, dass es seit dem 11. September aus den Duty-Free-Shops der Flughäfen verschwunden ist. Terrorgefahr und so. Aber mal ehrlich: Wie will man mit einem Taschenmesser ein Flugzeug in seine Gewalt bringen, wenn man damit noch nicht einmal einen Apfel ordentlich schälen kann?

Nun fällt auch die schweizer Armee ihren treuen Freunden von Victorinox in den Rücken: Ab 2009 wird sie ihre Messer-Bestellungen international ausschreiben. Ob die hochwertigen Produkte aus heimischen Gefilden dann noch mit der Billigkonkurrenz mithalten können, ist fraglich.

Auf lange Sicht wird das Schweizer Offiziersmesser wohl also verschwinden. Meine Kinder werden davon nur noch in meinen Erzählungen hören. Damals, vor langer Zeit, ritzte ich mit meinem Taschenmesser die Initialen von ihrer zukünftigen Mutter und mir in den Stamm der alten Eiche, unter der wir an schönen Frühlingstagen immer so gerne saßen. Die Eiche ist heute noch da, und unsere Namen kann man auch noch lesen. Das ist zwar eine glatte Lüge, aber eine sehr schöne Geschichte.

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